Le Mont-Saint-Michel 3. Teil

von Markus Brogle

Man kann sich dem Faszinosum Le Mont-Saint-Michel auch anders nähern als im vorangegangenen Artikel. Sei es durch Beiträge aus dem Netz, betrachten von Bildern oder dem Bau des Bluebrixx Specials „Le Mont-Saint-Michel“.

Jetzt spinnt er ganz. Ja natürlich. Was denn sonst? In meiner Ausbildung hatte ich eine Lehrerin in Personalkunde – der Name will mir ums Verre… nicht mehr einfallen. Sie hat jede Frage ihres Faches am Ende auf das psychologische Gleis gestellt.

Jeder hat eine Macke

Der Unterricht bei Ihr war tatsächlich nett, aber irgendwann ist mir der Kragen geplatzt und ich habe sie mit der Aussage konfrontiert, dass, wenn man ihr so zuhöre, sich der Eindruck manifestiert, eigentlich jeder einen Schuss hat. Ihre kurze und knappe und damit auch absolut eindeutige Antwort: ja, so ist es.

youtube war zu Anfang eine Sammlung von Kuriositäten. Mittlerweile, und das habe ich schon öfter geschrieben (Beispiel), hat es sich zur größten Sammlung an fundiertem Wissen entwickelt. Viel größer als Wikipedia. Aus verschiedenen Gründen wird Wikipedia – durchaus berechtigt – kritisch betrachtet. Versuchen Sie dort mal einen Eintrag zu platzieren – dann werden Sie es verstehen. Und auch youtube ist nicht frei von Problemen – das haben wir mit der Cancel-Culture spätestens während der Corona-Krise deutlich vor Augen geführt bekommen.

Trotzdem findet sich dort für jeden Special-Interest die Möglichkeit schnell an entweder oberflächliche oder aber informierte, tiefgreifende und – der Engländer kann es so schön ausdrücken – Deep-Dive-Infos zu kommen. Ganz nach Wunsch. Wer also schon immer mal wissen wollte, wie man für einen Turbo-Umbau eines Saugmotors die Verdichtung verringert (einfach eine zweite Zylinderkopfdichtung montieren), wird da fündig.

So gibt es seit einiger Zeit einen Kanal, der sich mit Klemmbausteinen (früher durfte man den Gattungsbegriff Legos ungestraft verwenden) beschäftigt. Und zwar ganz hinab bis in den letzten Winkel eines jeden Details. Der Typ kennt die Artikelnummer eines jeden Lego-Sets durch die ganze Firmengeschichte auswendig. Er benennt sein geradezu nervöses herunterbeten dieser Nummern schon selbstironisch Zahlen-Tourette. Herrlich. DAS Video für Neueinsteiger ins Thema.

Irgendwann war sein Kanal groß genug, dass er in den youtube-Trends auftauchte. Kann man ja mal anklicken. Ist ja nichts dabei. Von wegen! Beim ersten Video, dass man von ihm „genießt“ kommt sofort die Frage auf: „hat der sie noch alle?“ Antwort: Ja hat er – leider.

In seinen Argumentationen finde ich nur einen kleinen Bruch. Faszinierend wird es doch erst dann, wenn man etwas aus der Wirklichkeit so winzig nachbaut, dass man es aber trotzdem sofort erkennen kann. Gleichzeitig stellt er aber höchst begeistert monströse Sets wie dieses vor, das selbst im Schloss Bellevue wahrscheinlich nirgends einen anständigen Platz finden dürfte.

So ist doch die Notre-Dame links einfach cooler als die rechts.

Kleiner gedanklicher Spaziergang: der Deutschlandfunk hatte vor einigen Jahren mal eine Reportage über die TV-Verkaufssender (QVC und Konsorten) gebracht. Zentrale Aussage damals: der durchschnittliche Erstbesteller hat 52 Stunden lang diverse Verkaufssender angeschaut bis er endgültig weichgekocht ist und sich das Messerset oder die Autopoliturmaschine schließlich bestellt. Damals hatte ich das noch belächelt. Mittlerweile weiß ich, dass die Masche tatsächlich auch beim mental vermeintlich Stärksten funktioniert. Hätte man also die youtube-Trends besser mal ignoriert. Es ist nämlich sehr wohl was dabei. Und so stehen und verstauben nun einige kleine und auch wirklich große und aufwändige Klemmbausteinsets im Regal. Zum Verstauben später mehr.

analoges Tun ohne Bildschirm

Wir machen hier mal etwas Analoges. Mit den Händen und den Augen. Leider nicht mit noch mehr Körperteilen, was sich nach spätestens 2 Stunden in einem total verspannten Rücken äußert. Egal – was muss, das muss. Und der Bildschirm bleibt aus. Natürlich schaut man dabei nicht die letzte Staffel der Lieblingsserie. Wie dumm muss man sein? Wenn man sich schon mal einen Freiraum von der digitalen Berieselung geschaffen hat, muss man diesen auch verteidigen und rein analog nutzen.

Der Kopf wird frei

Wenn man ein Bluebrixx-Special wie dieses hier baut, wird der Kopf frei. Oder besser, mit dieser Beschäftigung besetzt. Die Teile sind unsortiert in diversen Tüten und es muss vom ersten Moment an ALLES auf dem Tisch liegen. Wir reden von gut 3.000 Teilen.

Leider habe ich erst gegen Ende angefangen zu fotografieren. Das ist etwa noch ¼ der Teile.

Nicht so ein doofes Speed-Champion-Set von Lego, bei dem man dessen knapp 300 Teile auch noch in nummerierten Tüten verpackt vorfindet, so dass nie mehr als 80 Teile auf dem Tisch liegen. Das ist was für Anfänger und Nervöslinge, die keine Geduld und Selbstbeherrschung haben. Ich sage Euch: statt teure Besuche beim Psychologen rate ich jedem, erstens am Sonntag in die Kirche zu gehen und zweitens den Aufbau eines mindestens 1.000-teiligen Sets. Und wer dann doch beim Marktführer kauft, kann die Challange ja dadurch verschärfen, indem er auf die Nummerierung der Tüten pfeift und alle Teile gleichzeitig gut durchmischt auf dem Tisch ausschüttet.

Aber alle geschäftlichen Telefonate und sonstigen Probleme sind schlagartig weg. Natürlich nutzen diese Probleme diese scheinbar vergeudete Zeit nur, um Verstärkung zu holen – das ist schon klar. Aber wir haben uns hier ja nun auch mental gestärkt. Möge die Schlacht morgen früh dann wieder beginnen. Für heute bin ich mir hier selbst genug. Punkt aus.

wie immer – das Platzproblem

Egal, für was ich mich auch interessiere, jedes Mal bekomme ich ein Platzproblem. HiFi-Anlage, Schallplatten, Klemmbausteinsets… Irgendwie bewundere ich die japanische Innenarchitektur mit ihrem Ideal des leeren Raumes. Ich schaffe das nicht. Kapitulation auf ganzer Linie. Meinen Erben wünsche ich, wenn es denn so weit ist, viel Spaß beim Befüllen der Entsorgungscontainer. 2x 10 Kubikmeter werden es schon sein müssen.

Staub

Der Grundgedanke von Konstruktionsspielzeug ist eigentlich der, dass man das Set nach Anleitung aufbaut, dann wieder auseinandernimmt und mit den Steinen was anderes konstruiert oder das Set verfeinert. Erwachsene machen das nicht. Sie haben ja (anscheinend) genug Geld um nicht in diese Not zu kommen. Dann kauft man sich halt das nächste Set.

Also stellen sie alles in Regale, Vitrinen, auf Fensterbänke und überall dort hin, wo die geliebte Gattin sich wunderbar darüber aufregen kann. Und dann, am abendlichen Tisch sitzend, nimmt man sich mal wieder ein Set heraus, bewundert sich und den Designer des Sets, nimmt einen weichen Pinsel und staubt das schöne Stück ab. Da entstehen nennenswerte Haufen von Wollmäusen, die man natürlich völlig ignorant auf den gerade frisch gesaugten Fussboden rieseln lässt. Das Schöne daran: dieser Staub, den man hier entfernt, liegt schon mal nicht auf den Schallplatten.

nicht hetzen

Ein so großes Set baut man nicht an einem Tag. Das ist nicht zu schaffen. Und wozu die Eile? Irgendwann kommt man in einen Flow und bekommt gerade dann die mystische Bedeutung des dargestellten Ortes besonders nahe mit.

Das Set

Dargestellt wird der Mont-Saint-Michel. Und das in einer Feingliedrigkeit und Exaktheit, wie sie mir noch nie begegnet ist. Egal welches Foto man hernimmt, es wurde an alles gedacht.

Wer sich bisher mit Lego beschäftigt hat, und deshalb nur solche Häuser kennt

kommt hier aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dass so viele verschiedene Winkel und geradezu haarsträubende Konstruktionen überhaupt mit ganz normalen Klemmbausteinen möglich sind, war mir bisher nicht bewusst.

Von Anfang bis Ende des Baus, und natürlich beim Betrachten des fertigen Werkes kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und es ist auch kein wackeliges Set, eines Nerds, das man besser nicht mal anschauen sollte. Alles ist absolut stabil, und selbst wenn man an den äußersten Rändern haltend das Set auf den Kopf dreht passiert rein gar nichts.

Im Maßstab von ca. 1:900 gebaut, weiß man, dass jeder Millimeter des Modells in Echt ca. 90 cm entspricht. Die nicht zu zählenden Kleinteile und die großartige Konstruktion lassen einen in jeden Baustein und in jede entstehende Lücke Geschichten aus dem Mittelalter hineindenken.

Ich bin mir nicht sicher, ob der Designer von Bluebrixx, man nennt ihn immer beim Vornamen Martin, sich der Grandiosität seines Entwurfs überhaupt genügend bewusst ist. Ich habe schon viel gebaut, unter anderem auch das mit weitem Abstand technisch komplizierteste Set, den Italian Supercar von CADA. Aber das hier hat eine neue Qualität. Und da die Teile so klein sind, bleibt auch der Platzbedarf des Ergebnisses glücklicherweise noch überschaubar.

So wächst nun mit jedem Betrachten des fertig aufgebauten Mont-Saint-Michel die Sehnsucht, die Insel endlich zu besuchen und dem Erzengel Michael damit eine besondere Aufwartung zu machen. Ich werde das Set mitnehmen und ein paar besondere Fotos machen.

Bilder mb und von Franck Barske und Alexa auf Pixabay (bearbeitet) und Norbert Schnitzler (Wikipedia Commons).

Kleiner Nachtrag an die Klemmbausteinbranche: Ihr macht alle einen großen Fehler. Ihr müsst den Vertrieb aufteilen. Was habe ich als 46-jähriger in einem Spielwarenladen zu suchen? Natürlich nichts. Und es ist im Grunde ja auch kein Spielzeug. Genauso wie die Modelleisenbahnen. Gehen Sie mal in einen Modelleisenbahnladen. Kein Besucher ist dort unter 70. Die Klemmbausteinhersteller und dessen Vertriebe haben zwar bereits erkannt, dass Sie weit mehr als 50% ihres Umsatzes mit Erwachsenen machen, aber das ließe sich sicher noch deutlich weiter ausbauen. Gerade die Sets des Marktführers sind dermaßen teuer (und ob des Materialeinsatzes mit einer offensichtlich grandiosen Marge versehen), dass eine Edelboutique in 1A-Lage das Kauferlebnis für den Betuchten sicher noch deutlich attraktiver machen würde. Den einen oder anderen Lego-Store in solcher Lage (der nächstliegende ist in Stuttgart) gibt es ja bereits. Aber da schlummert noch viel Potential.

Für Einsteiger ins Thema empfehle ich einen kleinen Ausflug nach Emmendingen zum Bausteinparadies.

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