von Markus Brogle
Dieser und ein zweiter Artikel wird in drei Teilen versuchen, sich der Verehrung des Erzengels Michael zu nähern. Diese Betrachtung ist rein subjektiv und könnte von Teilen meiner mir bekannten Leserschaft sicher noch um 20 Seiten erweitert werden, das ist mir bewusst. Daher hier mein persönlicher Blick auf das Thema.
Dabei handelt es sich um ein Thema des Glaubens. Glauben ist eine persönliche Sache. Er ist, um mit Papst Benedikt XVI zu sprechen, zwar eine vernünftige Angelegenheit aber erfordert vom Menschen eine Zuwendung ohne Anspruch auf letzte wissenschaftliche Gewissheit.
So ist auch die Annahme, dass es Engel gibt, eine Glaubensfrage. Nach dieser kurzen Einleitung gehe ich davon aus, dass der Leser mit meinem – dem gläubigen – Blick auf das Thema mitgehen kann.
1. Teil
Die Engel und der Erzengel Michael
Engel sind reine Geistwesen und Teil der unsichtbaren Schöpfung. Sie tauchen in der Heiligen Schrift an verschiedenen Stellen mit verschiedenen Aufgaben auf. Wir reden in der christlichen Tradition von neun Chören der Engel, hierarchisch aufgeteilt in drei Ordnungen.
Die erste Ordnung bestehen aus den Seraphinen, den Cherubinen und den Thronen. Die zweite Ordnung beinhaltet die Chöre der Herrschaften, der Fürsten und Mächte. Und schließlich die dritte Ordnung mit den Chören der Kräfte, der Erzengel und der Engel. Man mag verwundert sein, dass die Erzengel in dieser Hierarchie erst recht weit hinten auftauchen.
Die Kirche lehrt, dass eine jede menschliche Seele von Gott ihren ganz eigenen Schutzengel zur Seite gestellt bekommen hat und empfiehlt an diesen zu denken, ihn anzurufen und auf ihn zu hören. Gleichzeitig stellt uns Gott aber auch weitere Engel zum Schutz von Gemeinschaften und Häusern zur Seite.
Die Kabbala (jüdische Lehren und Schriften) kennt zehn Erzengel mit Namen: Metatron, Raziel, Zaphkiel, Zadkiel, Chamuel, Uriel, Gabriel, Raphael, Sandalphon und Michael. Die drei kanonisierten Erzengel sind für uns Raphael, Gabriel und Michael.
Den Erzengeln kommt unter anderem die Aufgabe zu, für den Menschen wahrnehmbar zu wirken. So begleitet Raphael im Alten Testament Tobias auf seiner Reise von Ninive nach Rages, vermittelt ihm Sara als Ehefrau und heilt dessen Vater Tobit. Die Lebensaufgabe des Erzengels Gabriel besteht darin, Maria die Gottesmutterschaft zu verkünden – sicher die schönste denkbare Sendung.
Wer es mit den Engeln ganz genau wissen will, dem sei dieser Vortrag ans Herz gelegt.
Die Geschichte des Erzengels Michael ist für einen Artikel hier zu umfangreich. Man möge sich gern extern näher informieren. Nur so viel: er gilt als Bezwinger Satans beim Engelsturz oder auch als Heerführer bei der siegreichen Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955. Daraufhin wurde er zum Schutzpatron des Ostfrankenreichs und später Deutschlands erklärt.

Daneben spielt Michael eine wichtige Rolle im Volksglauben. Er ist es, der ein Verzeichnis der guten und schlechten Taten eines jeden Menschen erstellt, das diesem zunächst am Tag des Sterbens (Partikulargericht), aber auch am Tage des Jüngsten Gerichts vorgelegt und auf dessen Basis über ihn Gericht gehalten wird. Daher kommt ihm nach kirchlicher Tradition auch die Rolle des „Seelenwägers“ am Tag des Jüngsten Gerichts zu. Weiterhin glaubt die Kirche, dass Michael die Seele des Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits geleitet.
Die Kirche kennt seit langer Zeit dieses Gebet, dass heute fast nur noch von traditionellen Katholiken gebetet wird:
Heiliger Erzengel Michael,
verteidige uns im Kampfe gegen die Bosheit und die Nachstellungen des Teufels.
Sei Du unser Schutz!
Gott gebiete ihm, so bitten wir flehentlich.
Du aber, Fürst der himmlischen Heerscharen,
stoße den Satan und die anderen bösen Geister,
die in der Welt umhergehen, um die Seelen zu verderben,
durch die Kraft Gottes in die Hölle.
Amen.
Kein anderer Engel wurde in der Geschichte der Menschheit so häufig dargestellt wie der Erzengel Michael. Eines seiner wichtigsten Symbole ist zweifelsohne das Schwert, mit dem er den Drachen der Finsternis (Luzifer) besiegte. Die Waage ist das Zeichen dafür, dass Michael nach dem Tod eines Menschen mit der Seelenwaage alle seine guten und schlechten Taten abwiegt. Das mystische Rot steht für Wärme und Feuer, aber auch für Blut – denn nicht zuletzt ist Michael auch ein mutiger Kämpfer, der voller Inbrunst die göttlichen Belange verteidigt. Und mit der Posaune wird Michael dereinst die Toten aus den Gräbern erwecken.
Der Name
מיכאל ist die ursprüngliche Version des Namens Michael. Sie kommt aus dem Hebräischen und bedeutet so viel wie: „Wer ist wie Gott?“. Wie kommt es dazu?
Luzifer, der Lichtträger, entschied sich, gottgleich sein und nicht dienen zu wollen. Die Hintergründe sind nicht überliefert, aber die Tradition leitet diese aus zwei Gegebenheiten her:
Engel sind in der himmlischen Hierarchie dem an den Leib gebunden Menschen vorangestellt. Jedoch bedeuten zwei „Ereignisse“ in Gottes Heilsgeschichte einen für Engel nur schwer zu ertragenden Bruch dieser Ordnung. Da ist einerseits die Menschwerdung Gottes und andererseits die Krönung Mariens als Himmelskönigin. Also zwei (auch im Himmel) leibliche Personen, die den Engeln hierarchisch vorangestellt sind. In der Entscheidung für oder gegen Gott, die Gott jedem vernunftbegabten Wesen offen lässt, hat sich dann Luzifer mit seinem „non serviam“ (ich werde nicht dienen) gegen Gott entschieden. Dieser Frevel erregte den Zorn des Erzengels Michael. Mit seinen Getreuen stellte er sich Luzifers Truppe entgegen und rief aus: „Wer ist wie Gott?“ (hebräisch מיכאל ausgesprochen Mīkā’īl).
Er besiegte als Anführer seiner ihm getreuen Heerscharen im Kampf Luzifer und dessen Anhänger und führte sie dem Ort zu, den Gott dann den gestürzten Engeln bereitet hat – die Hölle.
Weiter kennt die Tradition ein Bild für diesen Kampf, infolgedessen ein Drache mit sieben Köpfen, gekrönt mit sieben Diademen mit seinem Schwanz ein Drittel aller Sterne vom Himmel fegt. So geht man davon aus, dass Luzifer ein Drittel aller Engel mit sich in den Höllenschlund riss.
Die Bedeutung des Michaelstages
Papst Gelasius I. legte im Jahr 493 das Fest des hl. Erzengels Michael und aller Engel auf den 29. September. Ursprünglich ehrten die Germanen an diesem Tag ihren Gott Wotan – und so kommt es nicht von ungefähr, dass zahlreiche Bräuche rund um den 29. September eigentlich aus germanischer Zeit stammen. Lange Zeit wurde in der Nacht vor dem Michaelstag auch ein Feuer entzündet als Symbol dafür, dass die dunkle Jahreszeit endgültig angebrochen war und Arbeiten unter Tageslicht ab jetzt nur noch eingeschränkt möglich sind. Auch viele Bauernregeln ranken sich um den Michaelstag – wenn die Nacht vor Michaelis hell ist, so soll darauf ein strenger und langer Winter folgen – wenn es aber an Michaelis regnet, so soll der nächste Winter sehr mild verlaufen.
Verehrungsorte
Wikipedia fasst die Legende um den Monte Sant’Angelo so zusammen:
Es gibt mehrere Überlieferungen über eine Erscheinung des hl. Michael im Jahre 490 auf dem Monte Sant’Angelo im Garganogebirge in Apulien (Italien). Dort soll ein reicher Viehzüchter mit Namen Gargano seinen weggelaufenen Stier gesucht haben. Er fand den Stier schließlich auf einem Felsvorsprung vor einer Höhle. Weil das Tier von dort nicht mehr wegkommen konnte, wollte er es mit einem Pfeil erlegen. Der Pfeil drehte sich jedoch in der Luft und traf den Schützen, der nur aufgrund der Gebete des Bischofs von Siponto überlebte. Der Erzengel Michael erschien daraufhin dem Bischof und erklärte, dass er dieses Wunder bewirkt habe, damit ihm in dieser Höhle ein Heiligtum errichtet werde. Bis heute ist die Höhle auf dem Monte Sant’Angelo eine der bedeutendsten Wallfahrtsstätten Italiens.
Der Monte Sant’Angelo ist dann auch Vorbild für viele andere Verehrungsstätten Michaels, die sehr häufig auf einem Berg zu finden sind. Ein recht unbekannter aber wahnsinnig faszinierender Michaelsberg befindet sich in Le-Puy-En-Velay im französischen Zentralmassiv, 2 Autostunden südwestlich von Lyon mit seiner Kapelle Saint-Michel d’Aiguilhe.

Le Mont-Saint-Michel – der Berg im Watt
2. Teil – So kommen wir nun zum wesentlich bekannteren Michaelsberg, dem Mont-Saint-Michel in der Normandie. Der Berg selbst ist ein Felsen nahe der Küste aber doch mitten im Wattenmeer.

youtube hat eine wunderbare Dokumentation von arte gelistet, die die Geschichte des Wallfahrtsortes für einen GEZ-finanzierten Sender erstaunlich schön und religiös auffällig ungehässig darlegt.
Wen fasziniert dieser Sehnsuchtsort nicht? Schon von weitem, aber auch bei der nahen Betrachtung eines jeden Steins, der hier verbaut wurde, spürt man, dass dies ein mystischer Ort ist, der Geschichten zu erzählen weiß, und – noch viel mehr – sehr viele Geschichten in seinen Mauern verborgen hält.

Lange Zeit war nicht geklärt, ob der Berg mit seinem Kloster zur Normandie oder zur Bretagne gehört. Dies liegt unter Anderem auch am vor der Kanalisierung im Jahr 1863 ständig wechselnden Lauf des Flusses Couesnon, der aus dem Hinterland kommend exakt gegenüber der Insel ins Meer mündet.
In einem Spruch heißt es: « Le Couesnon dans sa folie a mis le Mont en Normandie. » übersetzt „Der Couesnon hat auf verrückt gemacht, den Mont zur Normandie gebracht.“ Durch die neue Aufteilung der Départements während der Französischen Revolution gehört er dann aber unbestritten zur Normandie.

Der Naturraum um den Mont-Saint-Michel bietet einer Vielzahl von Tieren und Pflanzen einen Lebensraum. Die Bucht stellt das größte Polder und Salzwiesengebiet Frankreichs dar.
Vor dem Bau der Abtei trug die Insel den Namen Mont Tombe oder Tumbe. Dies ist ein Ausdruck für eine grabähnliche Erhebung, abgeleitet von französisch « tombe ». Etwa drei Kilometer nördlich befindet sich die Insel Tombelaine – die Verkleinerungsform von Tombe, da diese Insel etwas kleiner ist.
Die Bucht des Mont-Saint-Michel ist auch für ihren spektakulären Tidenhub bekannt. Bei Springflut bis zu 15 Metern ist dieser nach der Bucht Fundy in Kanada der weltweit zweithöchste. Victor Hugo meinte, dass das Wasser « à la vitesse d’un cheval au galop » (übersetzt mit der Schnelligkeit eines Pferdes im Galopp) fließt, weil bei Flut das Meer mit derartiger Macht und Schnelligkeit nach vorne prescht.
Das Wasser zieht sich etwa 18 Kilometer zurück, was eine Geschwindigkeit von etwa 62 Meter in der Minute ergibt. Auch heute ist der Weg von der Küste über das Watt wegen der schnell kommenden Flut und Treibsanden immer noch sehr gefährlich. Für den Mensch ist es im Grunde unmöglich, gegen die Strömungen, Strudel und den Fließsand anzukommen. Aus diesem Grund stand schon früher in alten Schriften: „Gehst du nach Saint-Michel, vergiss nicht, vorher dein Testament zu machen“.
Vielerlei Einflüsse, aber vor allem die Kanalisierung des Couesnon sorgten dann aber für eine Versandung der Bucht. Der Damm, der 1874 genehmigt und bis 1877 gebaut wurde verhinderte zudem – seinerzeit gewollt – eine Umspülung der Insel. Jährlich wurden mehr als eine Million Kubikmeter Sand in der Bucht angeschwemmt, die durch den Straßendamm an Ort und Stelle gehalten wurden. Die Vergrößerung der Salzweidenflächen war ja durchaus geplant, aber mit dem Ausmaß der Landschaftsveränderung wurde nicht gerechnet. Zwischenzeitlich war die Sand- und Schlickschicht um die Insel etwa 15 Meter hoch.
Außerdem besitzt dort der Zufluss des Meeres mehr Kraft als der Rücklauf: die Flut schwemmt mehr an als die Ebbe wieder abtransportiert. Der maritime Charakter des Klosters Mont-Saint-Michel war daher in Gefahr und in absehbarer Zeit hätte der Klosterberg im Grünen gestanden. Ursprünglich war die Insel nur bei Niedrigwasser zu erreichen, aber nach dem Bau des Damms war die Verbindung gezeitenunabhängig.
Ein paar Zahlen zur Entwicklung des Tourismus: Im Jahr 1880 waren es nur 3.000 Besucher. Um 1913 waren es bereits 100.000, 2005 waren es über 2,5 Millionen Touristen und im letzten Jahr stieg die Besucherzahl auf 3,5 Millionen.
Eine Gruppierung, die sich die Freunde des Mont-Saint-Michel nannte, erreichte, dass die Behörden bestimmten, die landwirtschaftliche Nutzung nur bis auf 1,5 Kilometer heranziehen zu lassen. Beim Besuch von Königin Elisabeth II und Staatspräsident Pompidou im Jahr 1970 waren diese überrascht, dass der Mont „keine Insel mehr“ sei. Dies war der Beginn des Projektes den Damm durch Brückenkonstruktionen auf Stelzen zu ersetzen. Im Jahr 1974 begann man auf wissenschaftlicher Ebene zu erforschen, welche Methoden es gäbe um die charakterliche Meereslage zu bewahren, aber gleichzeitig die Rechte der Landwirte und die Polder zu schützen.
Am 16. Juni 2006 endlich gab Premierminister Dominique de Villepin den Startschuss für die Bauarbeiten. Sie umfassten einen neuen Damm des Flusses Couesnon, das Ausbaggern des Sandes und die Entfernung des Straßendamms und des Parkplatzes.
Im Jahr 2009 wurde das Stauwerk vor dem Couesnon in Betrieb genommen, das bei beginnender Ebbe geschlossen und erst bei Niedrigwasser geöffnet wird. Die so aufgehaltenen Wassermassen spülen dann bei Ebbe durch die Bucht ins Meer und reißen dabei Ablagerungen mit sich. Innerhalb weniger Jahre sollen durch die natürliche Kraft des fließenden Wasser 80 % der angesammelten Sedimente aus der Bucht hinausgetrieben sein.
Für Privatfahrzeuge wurde die Zufahrt zum Mont-Saint-Michel seit 2012 untersagt. Die inselnahen Parkplätze wurden entfernt und auf das Festland verlagert. Im Juli 2014 wurde die 760 Meter lange und 11 Meter breite, von Dietmar Feichtinger, einem österreichischen Stararchitekt, in gekurvter Linienführung entworfene Stelzenbrücke, eröffnet. Im Frühjahr 2015 wurde dann schließlich der Damm abgebaut. Diese letzte Aktion hat den Mont wieder endgültig zu einer Insel werden lassen.
Die Stegbrücke steht auf dünnen runden Stahlstützen, die das Wasser frei unter der Brücke fließen lassen. Wenn nichts unternommen worden wäre, dann wäre der Klosterberg im Jahr um 2040 nicht mehr von Wasser, sondern von Salzwiesen umgeben gewesen und hätte sich wohlmöglich um weitere 50 Hektar ausgedehnt.
Das Dorf am Fuße der Abtei
Das Dorf befindet sich auf der Südostseite der Felsen und besteht mit seinen Häusern und Geschäften seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Es steht im Schutz der Stadtmauern, die im 12. bis 15. Jahrhundert entstanden sind. Darin gibt es viele kulturhistorische Gebäude, kleine örtliche Museen und Geschäfte für Touristen. Die Besucher können über den Wehrgang, der von kleinen, geschützten Gärten eingebettet ist, gehen, um die fantastische Aussicht auf die Küste zu genießen. Die meisten alten Häuser gibt es heute nicht mehr, nur noch wenige aus dem 15. und 16. Jahrhundert sind vorhanden. Der Großteil der Häuser wurde während der Belle Epoque abgerissen, um für komfortablere Gebäude Platz zu machen. Diese behielten aber die Anordnung des alten Ortsaufbaus bei. So wurden viele Fachwerkhäuser im 20. Jahrhundert neu errichtet. Es gab auch eine Schule, die im Jahr 1972 aber geschlossen wurde.
Die einzige Straße der Gemeinde ist die Grande Rue. Dazu gibt es viele kleine Gässchen mit steilen Stufen, die zur Abtei führen. Am Ende der La Grande Rue befindet sich die Pfarrkirche des Ortes St. Pierre mit einem kleinen Friedhof. Diese wurde im 11. Jahrhundert erbaut und im 15. Jahrhundert erweitert und aufgestockt. Während den Zeiten, in denen die Abteikirche entweiht war, wurde sie zum Ziel der Pilger.

Das Dorf ist durch seine traditionellen gastronomischen Spezialitäten bekannt, wie der bretonische Hummer, das typische Salzwiesenlamm – genannt « l’agneau de pré-salé » – oder das Omelette der Mère Poulard, die hier ein Gasthaus im Jahr 1888 eröffnete.
Die Abtei
Die ohne Bauten 92 Meter hohe und ca. 5,5 ha Fläche umfassende Insel wird dominiert von der befestigten Abtei. Die Mönchsbesiedlung durch Benediktiner wurde immer wieder von Wirren der Geschichte unterbrochen, bis hin zu einer Nutzung der Abtei als Gefängnis im Zusammenhang der französischen Revolution. In der Abteikirche wurden die Gefangenen in drei Etagen, die aus Holzbalken gezimmert wurden, übereinander „gestapelt“. Architekturhistoriker sind heute froh darüber, dass das Gebäude nach dem Weggang der Mönche so wenigstens noch genutzt und nicht gänzlich dem Verfall preisgegeben wurde.
Die Errichtung der Abtei Mont-Saint-Michel geht der Legende nach auf eine Schauung des Erzengels durch den hl. Aubert, dem Bischof von Avranches im Jahr 708 zurück. Der Erzengel beauftragte Aubert mit dem Bau einer Kirche auf der Felseninsel. Aber der Bischof folgte der mehrfach wiederholten Aufforderung nicht, bis der Engel ihm während des Schlafs mit seinem Finger ein Loch in den Schädel brannte. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen einerseits, dass der Schädel, der in der Kirche St-Gervais-et-St-Protais in Avranches aufbewahrt wird, Aubert tatsächlich zugeordnet werden kann und andererseits, dass das sehr auffällig geformte Loch in der Schädeldecke nur schwerlich eine wissenschaftlich bekannte Ursache hat.
Im Zeitraum 708–710 ließ Aubert dann ein erstes Michaelsheiligtum errichten. Als er sich nach einem Standort umschaute, gab der Erzengel ihm den Hinweis, dass er an der vorgesehenen Stelle einen Stier finden würde und die Fläche der Kirche solle so groß werden, wie der Stier den Bewuchs niedergetrampelt habe. Die Arbeiten auf dem Mont Tombe wurden nach den Ereignissen begonnen. Der Bischof zweifelte zwischenzeitlich, weil ihm nicht klar war, welche Dimensionen das Heiligtum annehmen sollte und wieder erhielt er Antwort durch ein Zeichen des Himmels. An einem Morgen war auf der bestimmten Fläche kein Tau auf den Pflanzen. Dies sollte die Fläche des Heiligtums werden und er konnte mit dem Bau nun wirklich beginnen.
Geschichtliches
Der Ruf des Bergheiligtums im Meer verbreitete sich schon im 9. Jahrhundert sehr rasch. Erste Pilgerfahrten um 870 rückten andere Heiligtümer in den Hintergrund. Im Jahr 933 annektierten die Normannen die Halbinsel Cotentin, wodurch die Insel strategisch noch bedeutsamer nun an der Grenze zur Bretagne lag. Durch die Kämpfe um 965 wurden die Kanoniker, die bisher für den Berg und seine Reliquien verantwortlich waren, vertrieben und 966 durch 12 Benediktiner mit dem Abt Maynard von Fontenelle ersetzt.
Ab dem 10. Jahrhundert ging es mit dem Kloster aufwärts und es lebten inzwischen 50 Mönche dort und es erlangte großen Reichtum durch Spenden der Pilger. Beim ersten großen Brand von 992 wurde vieles stark beschädigt und man nutzte die Gelegenheit, die zu klein gewordenen Kirche beim Wiederaufbau zu vergrößern.
Im Jahr 1020 begann man im Auftrag des Abts Hildebert II mit dem Bau der romanischen Abtei. 1022 wurden finanzielle Mittel für die Errichtung der Kirche vom Herzog der Normandie, Richard II, bereitgestellt. Allerdings gibt es auf dem Granitkegel des Mont keine genügend große ebene Oberfläche, die ein 70 Meter langes und entsprechend breites Gebäude zulassen würde.
Daher entschieden sich die Erbauer, das Zentrum der Kirche auf dem Gipfel des Berges zu errichten und rings um das Zentrum herum eine Reihe von Krypten (Unterkirchen) als Stützen und Fundament für den Chor der Abteikirche anzuordnen.
In den folgenden Jahrhunderten finanzierten Herzöge und Könige die großartige Architektur des Klosters. Durch Schenkungen und Gönnerschaften vergrößerten sich die Ländereien der Abtei. Die Klosterbauten wurden stetig erweitert. Neben dem Wiederaufbau und der Erweiterung begann man im 11. Jahrhundert mit dem Neubau der komplexen Abtei, welcher 500 Jahre dauern sollte, teilweise sogar bis ins 17. Jahrhundert.
Die großen Pilgerströme hatte die Abtei auch dem Abt Bernard, der auch der „Ehrwürdige“ genannt wurde, zu verdanken. Seine weitsichtige Verwaltung erlangte der Abtei große Macht und bedeutenden Einfluss. Er schaffte es, durch Misswirtschaft verlorene Güter, wieder zurückzuholen und erlangte neue Landschenkungen. Doch auch in seiner Zeit gab es im Jahr 1138 ein großes Feuer und bis auf die Abteikirche war alles abgebrannt.
Am 27. Mai 1154 wählten die Mönche Robert de Torigny zum Abt des Bergklosters. Er hatte nachhaltig geistigen Einfluss auf sein Kloster ausgeübt und dazu beigetragen, dass sich die Anzahl der Mönche von 40 auf 60 erhöhte. Diese Anzahl wurde in der Folgezeit nie mehr überschritten. Er hatte die Schreibstube von Mont zur höchsten Blüte geführt. Dies brachte den Berg den Beinamen „Stadt der Bücher“ übersetzt « Cité des livres ». Er schrieb selbst verschiedene historische Werke über sein Kloster und die Normandie. Ihm ist auch das Urkundenbuch der Abtei zu verdanken. Dies war eine große Blütezeit für die Abtei. Er hatte vieles errichten lassen, aber er war kein guter Baumeister. Vieles stürzte ein, nur Verwaltungs-, Gerichtsräume und die Wohnung des Abtes blieben stehen.
Eine Stiftung des französischen Königs Philipp August ermöglichte nach der Eroberung der Normandie den Bau des gotischen Ensembles, genannt « La Merveille » – das Wunder – wischen 1210 und 1228. Die Abtei verfügte über große Macht und bedeutenden Einfluss, was sich auch in der Gründung zahlreicher Tochterabteien niederschlug, so beispielsweise der St. Michael’s Mount im gegenüberliegenden Cornwall.
Zu jeder Zeit war der Berg aber auch ein strategisch wichtiger Ort. Andauernde Angriffe der Wikinger und ständige Besitzerwechsel prägten die Geschichte des Berges. Der durch Selbstausplünderungen von Äbten der Abtei eingeleitete Niedergang setzte rund um den Hundertjährigen Krieg ein. Die Engländer belagerten den Felsen durchgängig neun Jahre – von 1423 bis 1434 – ohne ihn jemals einnehmen zu können.

1520 wurde der Chor der Abteikirche im spätgotischen Stil (Flamboyant) fertiggestellt, aber in der Folge der Reformation und im Ergebnis anderer Umwälzungen der Neuzeit ging es mit der Bedeutung des Mont-Saint-Michel steil bergab. 1790 verließen die Benediktiner das Kloster und kehrten erst 1969 wieder zurück. Allmählich verfielen die Bauten und erst dem Einsatz des Schriftstellers Victor Hugo und seinen Mitstreitern ab 1836 ist es zu verdanken, dass wenigstens der architektonische Schatz wieder hergestellt werden konnte.
Die einsetzende Romantik verherrlichte dann den Berg in Gedichten, Romanen und Gemälden und machte ihn auf diese Weise wieder bekannt. Im Jahr 1874 wurde der Mont Saint-Michel zum nationalen Denkmal erklärt. Leider waren die Bemühungen des Denkmalschutzes seinerzeit nicht so ausgefeilt, weshalb viele Restaurierungsarbeiten eher einer Verstümmelung als einer Wiederherstellung gleich kommen.
Ich war noch nie dort
Bisher war es mir nicht vergönnt eine Wallfahrt zum Mont-Saint-Michel zu machen. Das wird hoffentlich irgendwann kommen. Man kann sich diesem Faszinosum aber auch anders nähern.
Dies ist dann der dritte Teil, den ich aber aus gutem Grund demnächst in einen eigenen Artikel packen werde.

Bilder alle von Pixabay: Franck Barske, lbrownstone, jp, Paul Henri Degrande, Dylan Leagh, Annabel_P, Yves. Artikelbild von Rdoe auf Pixabay.
Eine Antwort zu “Le Mont-Saint-Michel”
Ein wunderbarer Artikel.
Mir fiel neulich auf, dass man beim hl. Erzengel Gabriel oft nur daran denkt, dass er der Jungfrau Maria die Geburt des Erlöser ankündigte. Doch Gabriel war davor schon sehr bedeutsam: er kündigte Zacharias die Geburt von Johannes dem Täufer, dem Vorläufer des Erlösers, an.