1989

was für ein Jahr

von Markus Brogle

Nach den politischen Kurzhäppchen der letzten Zeit folgt hier mal wieder einer meiner berüchtigten langen Kulturartikel, für die ich mir meistens 3 Wochen Zeit der Recherche und des Feilens nehme. Daher darf ich darum bitten, dass der geneigte Leser sich auch die halbe Stunde Zeit nimmt, den Artikel zu lesen. Der Erkenntnisgewinn und die kulturelle (Wieder-) Erweckung lohnen sich. Versprochen.

1989 ist für die allermeisten unter uns das Jahr der politischen Wende in Deutschland, auf dem Kontinent und auf der ganzen Welt. Darüber gibt es Artikel genug, die von gebildeterer Seite geschrieben wurden. 1989 war ich zarte 13 Jahre alt und Schüler eines klassischen Gymnasiums und interessierte mich für alles hinter dem eisernen Zaun so gut wie gar nicht, auch wenn unser seinerzeitiger Geschichtslehrer Gerhard Müller sich größte Mühe gegeben hat, uns deswegen ein schlechtes Gewissen einzureden… Am Ende des Artikels werden wir die Jahreszahl dennoch kurz aus  politischer Sicht in den Blick nehmen.

Zunächst wenden wir uns aber dem Impetus, weshalb ich zur Tastatur gegriffen habe, zu – der Kultur im Jahr 1989. Ich kann nicht malen und lesen ist mir zu anstrengend. Ich bin ein Hörer – oder wie meine Frau immer sagt – ein auditiver Mensch. Wer mich emotional packen will, kann das fast ausschließlich mit Musik. Das dann aber zuverlässig.

Ich komme vom Land und wir waren immer ein paar Jahre den Städtern hinterher, wie sich später herausstellen sollte. Ich vermisste zumindest nichts. Einen Walkman hatte ich erst spät, und was Musik ist, konnte ich aus mir selbst erst im Alter von 13 Jahren herausfinden. Zu Hause lief, wenn überhaupt etwas lief, ausschließlich SWF1, der Vorgänger des heutigen SWR 4. Neben der üblichen Sendung „Vom Telefon zum Mikrofon“ deren Inhalt es war, dass zufällig anrufende Hörer ihrer Verwandtschaft zum 75igsten gratulierte, waren die absoluten Programmhighlights der „Landfunk“ mit Jutta Schmidt-Glöckler täglich um 11:50 oder die Psychologierubrik „Ich habe ein Problem“ mit Alexander Borell. Ansonsten bestand das Programm aus „Santa Maria“ von Roland Kaiser oder „Mein Freud der Baum“ von Alexandra, was schon ein intellektueller Höhepunkt des Tages war. Auch cool war die Lesereihe „Hildegard: Schicksalsroman einer Chefsekretärin (Folge 218)“.

Immerhin hatten wir einen Fernseher. Stundenlang saßen wir vor Colt, Knight Rider, Falcon Crest, Hart aber Herzlich, Mc Gyver, Airwolf usw. Cool – aber Zeitverschwendung. Unser Fernseher war noch so richtig alt. Bis weit in die 90er schwarz/weiß und mit 8 Sendertasten. Mehr gab es eh nicht – wobei wir sogar besser bedient waren als viele andere, da man bei uns sowohl das schweizer wie das österreichische Fernsehen terrestrisch empfangen konnte. Satellit kam erst später und Kabelanschluss gab es im Dorf nie.

Der Blitzschlag

Irgendwann 1989 saß ich dann vor dem Fernseher und es traf mich wie ein Blitz. Was und wer dieser Blitzschlag war schrieb ich schon an andere Stelle und spare es innerhalb dieses Berichtes als Spannungsbogen noch ein bisschen auf.

Jedenfalls lief ich am nächsten Tag zum ersten Mal in meinem Leben in ein Musikgeschäft. Dem CD-Laden Burger in Tiengen. Die Verkäuferin dort hatte die nächsten Jahre viel Freude an mir und meinem Bruder – wir hatten jeweils unsere Bestimmung gefunden – er fürs Hobby, ich sogar für den Beruf.

Die Zeit ging dahin, eine CD nach der anderen wurde gekauft. Wir hatten beide die Gnade der späten Geburt und mussten uns nicht mehr mit der analogen Schallplatte rumärgern, sondern konnten gleich nach dem Motto: „an meine Ohren kommt nur Wasser und CD“ agieren (Link  – diese Einstellung hatte sich bei mir sehr bald geändert). Mein Bruder ist etwas älter und hatte deshalb noch die Nase in der Musicassette drin. Ich nie. Dieses Bandgewickel ging mir grundsätzlich auf die Nerven.

Die CDs wurden anfangs mühsam, später fast wie von selbst mehr. Geschenkt bekamen wir so gut wie keine, weder von Freuden noch von der Familie, da wir sehr schnell für unseren sehr ausgefallenen Musikgeschmack bekannt waren und man tunlichst vermeiden wollte, Enttäuschungen zu erzeugen. Gut so. Einzig von mir bis heute hochgeschätztes Geschenk einer Freundin ist die Veröffentlichung von James Taylor – „Live“ (habe ich heute natürlich als Schallplatte).

Die musikalische Menschwerdung – das Datum

Irgendwann in den letzten Jahren erst merkte ich, dass ich am liebsten Musik auflege, die aus dem Jahr 1989 (oder kurz davor und danach) stammt. Es ist die musikalische Menschwerdung, die ich mit 13 Jahren erlebte. Der Vibe, die Schwingung, von damals blieb bis heute erhalten. Im Gespräch mit anderen Musikliebhabern gestehen diese nach kurzem Nachdenken, dass es ihnen genau gleich geht. All das neumodische Zeugs ist mal kurz interessant, bleibt aber nicht haften – erzeugt keinen nachhaltigen Effekt.

Das ist sehr stark zu spüren an der ersten Platte, die wir uns näher anhören:

Phil Collins – …But Seriously

Wer jetzt schon den Bericht genervt zur Seite legt, muss deutlich älter sein als ich. Er gehört wahrscheinlich zu den (Baby-)Boomern, die Genesis noch mit Peter Gabriel aufsogen und in Phil Collins einen Zerstörer Ihrer Jugend sehen, da er Genesis in eine ganz andere Richtung lenkte.

Für mich in eine sehr Positive. So halte ich das Album „Invisible Touch“ für das beste Genesis-Album, die Fans der alten Genesis hassen es. Dies bestätigt meine These, dass mit dem Vibe der eigenen musikalischen Menschwerdung die  Entwicklung des Musikgeschmacks im Grunde abgeschlossen ist. Das ist kein Vorwurf. Ich sehe es ja an mir selbst.

Die über lange Jahre gerne mit großer Überheblichkeit zur Schau gestellte Deutungshoheit der Boomer schmilzt so langsam, verlassen sie doch nun nach und nach die marktrelevante Gruppe und man bekommt in Vorführungen heute mit „Invisible Touch“ mehr Daumen hoch als noch vor wenigen Jahren.

Aber zurück zu „… But Seriously“ von Phil Collins. Einem Soloprojekt des Überkünstlers der 80er und 90er Jahre. Ich erinnere mich, damals eine Weile krank im Bett gelegen zu haben. Diese CD lief damals in Repeat non-stop. Ich kenne jeden Ton, jeden Beat der Drums und insbesondere das sagenhafte Saxophon von Don Myrick.

Da es eine Pop-Platte ist, die auch darauf aus ist, Radiotauglich zu sein, kommt dieser leider viel zu kurz. Das Versäumnis irgendwann mal nachzuholen wurde dann leider unmöglich, da Don 1993 bei einer Drogenrazzia versehentlich von einem Officer erschossen wurde. Wer mehr von ihm hören möchte, muss nach Platten mit den „Phenix Horns“ und „Earth, Wind & Fire“ fahnden. Oder zur Platte „Hello, I Must Be Going!“in der Diskografie von Collins zurück gehen. Dort hat Myrick beim Stück „The West Side“ seinen Starauftritt.

Collins hatte überhaupt eine wahnsinnig gute Truppe zusammen. Daryl Stuermer an der Gitarre ist bis heute weit unterschätzt und am Bass konnte Phil die beiden für mich ultimativen Helden versammeln: Nathan East und der unfassbar geniale Leland Sklar mit seinem markanten Vollbart. Googelt und youtubt nach ihm – er ist eine absolute Legende.

Die Musik zu beschreiben macht hier keinen Sinn. Ihr kennt das Album alle und solltet es nach längerer Nichtbeachtung endlich mal wieder auflegen. Zum Glück war Collins zu der Zeit schon so fest im Sattel, dass er neben aller Gefälligkeit genug echten künstlerischen Tiefgang einbauen konnte und durfte. Einen Anspielttipp zu geben traue ich mich nicht, denn keines der Stücke fällt ab oder hat irgendeinen faden Beigeschmack.

Zum Album gab es dann auch eine weltumspannende Tour, deren Höhepunkt aus deutscher Sicht sicher das Konzert vom 15. Juli 1990 auf der Berliner Waldbühne ist. Von einem anderen Konzert dieser Tournee wurde ein wunderbares Live-Doppelalbum erstellt. Dieses ist klanglich zwar etwas dünn, aber nach spätestens 2 Minuten rückt das bei der gebotenen musikalischen Qualität in den Hintergrund.

Wichtig für alle, die wie ich das Streamen hassen und lieber Schallplatte hören, ist ein grundsätzlicher Tipp, der aber gerade hier sehr wichtig ist: man kauft die Erstpressung. Keine Reissues oder Remasters. Die Aufnahmequalität war schon damals so hoch, dass es außer kommerzieller Dinge keinerlei Grund für Neuauflagen gibt. Nie.

Was gab es noch so alles am Wegesrand?

Bevor wir die zweite Platte näher anhören wandern wir an ein paar Plattencovern vorbei, die aus dem Erscheinungsjahr 1989 relevant sind:

Depeche Mode – 101

Alannah Myles

Van Morrison – Avalon Sunset

Quincy Jones – Back On The Block

Prince – Batman™ (OST)

John Mellencamp – Big Daddy

Joe Jackson – Blaze Of Glory

The Grateful Dead – Built To Last

Grace Jones – Bulletproof Heart

Tracy Chapman – Crossroads

Ist sie als One-Hit-Wonder zu betrachten? Ihre Prominenz ist ja eher einem Zufall zu verdanken. Doch dazu gleich ein paar nette Infos. Dies ist ihr zweites Album und wird immer im Schatten des Debuts vom Jahr zuvor stehen bleiben.

Macht aber nichts, die Geschichte ihrer Berühmtheit ist rührend. Denn sie wurde nicht über Nacht, sondern buchstäblich innerhalb von Minuten weltberühmt. Am 11. Juni 1988 fand das „Nelson Mandela 70th Birthday Tribute Concert“  im Wembley-Stadion statt. 72.000 Zuschauer vor Ort und Menschen in 60 Ländern sehen per TV zu. Nur nicht in Südafrika, wo Nelson Mandela zu der Zeit noch im Gefängnis sitzt.

Die Liste der Künstler, die an diesem Tag auf der Bühne standen, ist beeindruckend: Die Simple Minds waren dabei, Meat Loaf, Salt ’n’ Pepa, Paul Young, die Eurythmics, Wet Wet Wet, Sting, Phil Collins, Whitney Houston, Peter Gabriel und viele, viele mehr.  Die großen Acts standen natürlich alle am Abend auf der Bühne, wenn die meisten Leute zuschauen. Am Nachmittag traten die nicht ganz so bekannten Künstler auf – darunter eine junge Frau namens Tracy Chapman. In einem Interview erwähnt sie rückblickend, dass sie wirklich keinen Schimmer hatte, warum sie eingeladen wurde. Denn damals kannte so gut wie niemand ihren Namen.

Tracy Chapman spielte am Nachmittag ein paar Songs und war erleichtert, als alles vorüber war. Nach der Nervosität der vorangegangenen Tage konnte sie endlich entspannen. Das Beste: Backstage konnte sie ihre musikalischen Idole aus dem Fernsehen ganz persönlich erleben. Das Konzert ging derweil weiter. Am Abend spielten dann UB40. Nach deren Show soll es etwas Besonderes geben: Stevie Wonder soll als Überraschungsgast performen. 

Stevie Wonder war einer der ersten Künstler, den die Veranstalter verpflichten wollten. Doch sie konnten einfach keinen Kontakt zum ihm herstellen. Mitarbeiter seines Teams teilten bei jeder neuen Nachfrage mit, dass das Thema „in Bearbeitung“ sei. Erst wenige Tage vor dem Konzert meldete sich Stevie Wonder endlich zurück: Er will dabei sein. Die Veranstalter hatten Glück im Unglück. Sie hatten ein Duett von Prince und Bono geplant, doch die beiden Sänger lehnten ab. Also war ein Slot für Stevie Wonder nach dem Auftritt von UB40 frei. 

Es ist alles minutiös vorbereitet. Stevie Wonder kommt mit Band, das Set ist aufgebaut, Stevie Wonder läuft Backstage schon die Rampe zur Bühne hoch – da stellt er zu seinem Entsetzen fest: irgendetwas an seinem Synthesizer stimmt nicht. Und ohne kann er nicht auftreten. Stevie Wonder ist regelrecht geschockt und verlässt unter Tränen die Bühne und das Stadion, ohne einen einzigen Ton gespielt oder gesungen zu haben. Jetzt müssen die Veranstalter schnell umplanen. Doch das Publikum jetzt warten zu lassen, bis das Set der nächsten Band aufgebaut ist dauert viel zu lange.

Um die entstandene Pause zu überbrücken, holt man kurzerhand Tracy Chapman aus dem Backstage. Eine Frau, ein Mikro, eine Gitarre – perfekt, um die Umbaupause zu überbrücken. Alles muss ganz schnell gehen. Jetzt steht sie ganz alleine auf der Riesenbühne, die Zuschauer im ausverkauften Wembley-Stadion sind laut und ausgelassen. „Ich hatte überhaupt keine Zeit mich vorzubereiten“, sagt Tracy Chapman über diesen Moment: „Ich bin einfach rausgegangen und hab abgeliefert“. Das johlende Stadium-Publikum wird schon nach wenigen Takten leiser und ist ganz gebannt von ihr und ihrem Song… 

Am Ende spielt Stevie Wonder doch noch – mit den Instrumenten von Whitney Houstons Band. Und Tracy Chapman wird in diesen wenigen Minuten weltberühmt. Kurz nach ihrem Auftritt geht ihr Album in vielen Ländern auf die 1 und verkaufte bis heute 14 Millionen Kopien. 

Mike Oldfield – Earth Moving

Paul McCartney – Flowers In The Dirt

Tina Turner – Foreign Affair

Tina Turner – was für eine Frau, was für ein Power. Hatten wir damals sehr genossen. Mittlerweile bin ich nicht mehr so nah dran. Am Ende doch zu viel aufgesetztes Pathos.

Gloria Estefan – Cuts Both Ways

Ich liebe diese Frau. Es ist einfach Liebe. Fertig aus. Ihre Anmut killt mich. Von den vielen Popsternchen, die auch damals schon „produziert“ wurden ist sie die extrem wohltuende Ausnahme. Sie kann nämlich tatsächlich singen. Für mich ist dieses Ihr bestes Album. Warum? – na es stammt aus 1989. Den Titel „Here we are“ habe ich schon auf unzähligen Messen zur Rührung vieler Besucher vorgeführt. Wunderbar – hat für immer einen schönen Ehrenplatz im Regal.

Westernhagen – Halleluja

Cher – Heart Of Stone

Jean Michel Jarre – Jarre Live.

Jean Michel Jarre wurde in Deutschland eigentlich nur von Lehrern und anderen 2001-Kunden rezipiert. Im Radio lief er selten, da ohne Gesang. In Frankreich hingegen ist er ein Superstar und kann für sich verbuchen, ein halbes Dutzend Livekonzerte mit weit über einer Million Zuschauern gegeben zu haben. Unbedingt mal wieder auflegen!

Madonna – Like A Prayer

Bonnie Raitt – Nick Of Time

Bob Dylan – Oh Mercy

Peter Gabriel – Passion

Depeche Mode – Personal Jesus

Richard Marx – Repeat Offender

Jethro Tull – Rock Island

Elton John – Sleeping With The Past

The Rolling Stones – Steel Wheels

Billy Joel – Storm Front

Simple Minds – Street Fighting Years

Queen – The Miracle

Auch zwei meiner Lieblings-Klassik-Platten stammen in ihrer Aufnahme aus dem 1989. Und das sind nicht einfach irgendwelche Haydn-Sinfonien. Nein es geht um Dvořáks Neunte und um Bachs Matthäuspassion. Diese Einspielungen sind für mich die Referenz. Über die Matthäuspassion unter Gardiner hatte ich ja bereits hier geschrieben.

Sir John Eliot Gardiner – Bach – Matthäus-Passion

Bernstein spielt Dvořáks Neunte

Leonard Bernstein & Israel Philharmonic Orchestra  – Dvořák Symphonie No. 9 „Aus Der Neuen Welt“

Was haben wir uns seinerzeit am Gymnasium mit der Sonatenhauptsatzform gequält – heute steht sie nicht mal mehr im Lehrplan. Unfassbar. Dvořák Neunte ist ein großes Werk und hier perfekt eingefangen. Eine besser verbrachte Stunde, als auf TikTok oder Instagram – ganz sicher!

Horowitz At Home

Er ist und bleibt der Größte. Sein Konzert von 1986 in Moskau ist sicher die legendärste Platte. Hatte ich hier schon einen eigenen Bericht dazu verfasst.

Tears For Fears – The Seeds Of Love

Es ist die vielleicht künstlerisch aufwändigste Platte aus 1989. Böse Zungen könnten auch sagen, das Album sei Überproduziert. Das kann man bereits am Albumcover erkennen. Bitte groß zoomen und lange genug auf sich wirken lassen. Unfassbar gute Musik und der Beginn der Karriere von Oleta Adams.

Chris Rea – The Road To Hell

Kate Bush – The Sensual World

Vangelis – Themes

Am Wegesrand unserer Betrachtung

1989 hatte auch noch anderes zu bieten. Irgendwo sind wir Mittvierziger ja doch auch alle ein bisschen Autofans. Drei der nachhaltigsten Designs stammen aus exakt diesem Jahr. Es sind zwar alles unpraktische Coupés aber bis heute absolute Stil- und Designikonen.

Beginnen wir mit etwas geerdetem, dem Opel Calibra.

Als Nachfolger des Opel Manta A und B revolutioniert er die Designsprache des als verstaubt geltenden Rüsselsheimer Unternehmens gänzlich. Bis heute ist er ein gefragter Klassiker und in unverbasteltem Zustand nur zu horrenden Preisen zu bekommen.

Selbiges gilt, wenn auch um Potenzen höher angesiedelt für den BMW 850.

Man mache sich nichts vor, das Auto ist heute 35 Jahre alt. Hätte es ihn nie gegeben, könnte man ihn exakt so heute auf den Genfer Salon als Neuheit stellen. Unfassbar. Der Traum eines jeden deutschen Mannes.

Aber das Überauto, vielleicht für alle Zeiten, ist der Mercedes SL der Baureihe R129.

Auch dieser kam 1989 auf den Markt. Bereits bei der Einführung war er für mehrere Jahre ausverkauft und Kaufverträge wurden zu astronomischen Preisen weiterverkauft. Allein im Fahrersitz steckt mehr Technologie, als in vielen anderen Autos gesamt. Der Wagen wurde im Werk Bremen gebaut. Am Ende der Montage wurde jeder Wagen für eine gewisse Zeit auf einen Rüttelprüfstand gestellt, der 10.000km Straßenbelastung simulierte. Danach wurden nochmals ALLE Schrauben nachgezogen. Wer heute einen sieht steht im Grunde vor einem Neuwagen. Er ist nicht nur das schönste Auto der Welt sondern auch qualitativ das Beste, was es jemals gab. Seine Genialität hatte ich bereits als junger Bub erkannt und bin so oft ich konnte mit dem Fahrrad zum 15 km entfernten Mercedes-Händler gefahren, um im SL Platz zu nehmen. Irgendwann werde ich einen besitzen.

Kommen wir gegen Ende des Artikels aber zurück zur Musik

Andreas Vollenweider – Dancing With The Lion

Nun also zum Fernsehereignis meines Lebens. Nein kein WM-Endspiel. Da laufen ja nur 22 Mann dem Ball hinterher – wie langweilig. Meine Mutter prägte den Satz: warum einigen die sich nicht vorher auf ein Ergebnis? Dann könnten sie anderthalb Stunden gemütlich zusammen Kaffee trinken. Funktioniert leider nur in unserem Dialekt.

Es lief in irgendeiner ZDF-Sendung Vollenweider. Ich kannte ihn nicht. Woher auch? Dann kam die Einblendung. Gemerkt, aufgeschrieben und auf zur CD-Händlerin. Die hatte tatsächlich sogar das aktuelle Album da (siehe oben) – rollte aber mit den Augen. Schon wieder einen an die seichte Unterhaltung verloren. Tja, Ahnungslosigkeit gibt es nicht nur in der Regierung.

Allerdings, das soll nicht unerwähnt bleiben, ist sein 1989er-Album „Dancing With The Lion“ eines seiner schwächeren Werke. Trotzdem hat es gereicht, mich für mein Leben zu prägen. Erst neulich hatte ich mal nach dem Beitrag im ZDF gefahndet – und tatsächlich hat es damals irgendjemand aufgenommen und später auf youtube gestellt. Vielen Dank dafür an dieser Stelle.

Neben all dem Pop, Rock, Jazz, Klassik (und was sonst noch an Schubladen denkbar ist) gibt es Vollenweider. Eine Welt für sich – und meine musikalische Heimat. Wenn es Dir gut geht – spiel Vollenweider. Wenn es Dir schlecht geht – spiel unbedingt Vollenweider. Er holt Dich sofort und ohne Umschweife an einen anderen Ort. An einen schönen Ort. Da, wo Du Dich wohlfühlst.

Ich komme zum Schluss

Ein kurzer politischer Exkurs muss in diesem Blog aber auch in einem Kulturartikel erlaubt sein. Denn die Welt ist keine Wohlfühloase. Immer weniger. Nicht nur deswegen bin ich fleißiger Kontrafunk-Hörer der ersten Stunde. Ein anstrengendes Wort-Radio. Kein Nonsens. Ernster Journalismus 24/7. Musik im Radio ertrage ich kaum, auf den Pop-Wellen läuft unsäglicher Mist und auf den Klassik-Wellen meist auch nur recht seichter Mozart oder Haydn.

Aber auch der Kontrafunk braucht als Verbindung zwischen verschiedenen Themenblöcken ein paar Takte Musik. Diese ist mit erstaunlicher Geschmackssicherheit ausgewählt – das fiel mir schon öfter auf. Und dann – neulich – wie aus heiterem Himmel folgen auf die Stimme des von mir fast väterlich geliebten Benjamin Gollme elfische Harfenklänge von Andreas Vollenweider. So fügen sich ausschweifende – oder besser: sich scheinbar verlierende – Linien des Lebens an ungeahnter Stelle zusammen. Ich musste noch während dieser wenigen Takte sofort meine Frau anrufen und ihr von dieser unmöglich zufälligen Fügung erzählen. Es stockte mir allerdings nach wenigen Worten die Stimme. Meine Frau verstand auch so.

Natürlich nicht nur wegen dieser Begebenheit kann ich in diesen verfahrenen Zeiten wieder Hoffnung schöpfen. Der Kontrafunk steht fest, und ich entnehme jeder Äußerung des Gründers  Burkhard Müller-Ullrich, dass er nicht vor hat, uns im Stich zu lassen.

Reinhard Mey – Mein Apfelbäumchen

Und so betrachten wir das letzte Album in diesem Artikel aus dem Jahr 1989 nicht nur aus musikalischer Sicht. Über Reinhard Mey zu schreiben traue ich mich nicht, dafür bin ich zu jung und sein Werk so unfassbar groß, dass ich es bisher nicht geschafft habe, es umfassend für mich aufzuschließen.

Der achte Titel des Albums „Mein Apfelbäumchen“ „Nein, Meine Söhne Geb‘ Ich Nicht“ ist ziemlich starker Tobak – gerade heute. Und so einfach ist die Frage nicht zu beantworten. Meine Eltern sahen es wie Mey und haben ein Umfeld für uns geschaffen, dass ein Dienen als unsinnig erscheinen ließ – wir verweigerten beide und leisteten unseren Ersatzdienst in einem Krankenhaus, dass es Dank völlig fehlgeleiteter Gesundheitspolitik seit zwei Jahren nicht mehr gibt.

Einerseits kommt es für mich nicht in Frage, auf Befehl der momentanen deutschen Staatslenker in einen Krieg zu ziehen – weder für mich noch für meine Söhne. Andererseits muss es uns nicht um diese Regierung gehen, sondern um das deutsche Volk. Mit welcher Hypothek müsste man einst leben (wenn man denn überlebt), das eigene Land wegen ein paar verbohrter, für begrenzte Zeit sich am Ruder befindlicher bildungsferner Nichtfachleuten, verraten zu haben. Und mit Verrat ist nichts Geringeres gemeint, als dass es Deutschland dann nicht mehr geben wird – weder als Nation noch physisch.

1989

Und so schließt sich der Kreis zum Jahr 1989. Das Jahr der Wiedervereinigung. Der Beginn einer großen Zukunft für das deutsche Volk, mit blühenden Landschaften.

In einer historischen Nachbetrachtung werden die Jahre bis 2001 als die friedlichste Dekade betrachtet werden müssen. Niemand hatte ein Smartphone, die Jugendlichen trafen sich noch analog zum Saufen und auch zum Musikhören. Dank des Aufstrebens des Computers zwar bereits ein Hobby im Niedergang, aber doch noch in aller Munde.

Exakt 35 Jahre später stehen wir vor einem Scherbenhaufen, der nach menschlichem Ermessen nicht mehr gekittet werden kann. Machen wir uns nichts vor: selbst wenn die Vernunft noch heute an die Macht kommen sollte, werden wir eine Generation brauchen, um die wirtschaftliche und ideologische Katastrophe der Ampelregierung zu verdauen und abzuarbeiten und weitere 2 bis 3 Generationen, um das gesellschaftliche und kulturelle Zerstörungswerk Merkels wieder aufzuräumen.

weitere Musik aus 1989:

Peter Maffay – Tiefer

Dave Grusin – Migration

Kenny G – Live

David A. Stewart Featuring Candy Dulfer – Lily Was Here

Chris Isaak – Heart Shaped World

Lisa Stansfield – Affection

Simply Red – A New Flame

Michael Bolton – Soul Provider

Pixies – Doolittle

Red Hot Chili Peppers – Mother’s Milk

Alice Cooper – Trash

Lou Reed – New York

The Beautiful South – Welcome To The Beautiful South

Van Morrison – Avalon Sunset

Terence Trent D’Arby’s Neither Fish Nor Flesh

Morrissey – International Playboys

Donna Summer – This Time I Know It’s For Real

Daniel Lanois – Acadie

Julee Cruise – Floating Into The Night

Paula Abdul – Straight Up

Don Henley – The End Of The Innocence

Eurythmics – We Too Are One

John Lee Hooker – The Healer

Eric Clapton – Journeyman

Nigel Kennedy – Vier Jahreszeiten

Laurie Anderson – Strange Angels

Art Of Noise – Below The Waste

Various – Kuschelrock 3

Various – Rain Man (Soundtrack)

Swans – The Burning World

Allein die musikalische Qualität des Jahrganges 1989 ist höher als alles, was nach der Jahrtausendwende herauskam – nicht nur in der Verklärung der Vergangenheit.

Bildquellen:

Artikelbild von ROB5N auf Pixabay

Bilder der Musikalben alle von discogs.com – soweit herunter skaliert, dass eine Urheberrechtsklage sinnlos ist.

Bilder Opel Calibra und Mercedes SL von Wikipedia

Bild BMW 850 von Evgeni Adutskevich auf Unsplash

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