Deutschland am Wendepunkt

von Markus Brogle

Mein Bericht neulich hat natürlich etwas ausgelöst. Und einiges klar gestellt. Das ist in Zeiten vollkommener Unklarheit eigentlich eine gute Sache. Aber nur eigentlich.

Wir hatten mit Freunden eine Aktionsgemeinschaft ins Leben gerufen, die außerparteilich aktiv werden will. Ohne Parteistatut offen für viele Strömungen, die sich aber zumindest darin einig sind, dass in unserem Land einiges falsch läuft. Gut so. Gute Idee. Die meisten Initiativen scheitern ja daran, dass Sie sich zu sehr an eine vorhandene Struktur anheften und damit für Menschen, die diese Struktur nicht mögen abschreckend oder zumindest nicht attraktiv wirken. Gleichzeitig stellt sich aber auf der exakt anderen Seite dieser Betrachtung das Problem der inhaltlichen Ungriffigkeit oder Unschärfe.

Gruppierungen, die eher weniger mit unserer Regierung sympathisieren, treffen sich üblicherweise nicht per whatsapp oder facebook sondern bei telegram. Da wird dann eine Gruppe erstellt, in die man Interessenten einlädt. Schon bei einer recht frühen analogen Zusammenkunft kam dann der Gedanke auf, dass es doch vielleicht besser sei, nicht auch noch diese Gruppe mit allen erdenklichen unfassbar hochinteressanten Netzfunden voll zu müllen. Wir sind alle selbst online gut vernetzt und bekommen genug Verschwörungstheorien (oder sind es vielleicht doch meist Fakten) serviert. Das muss nicht auch noch diesen Kanal zumüllen. Bei wenigen zähneknirschend aber doch im Großen und Ganzen wohlwollend bis begeistert wurde das dann umgesetzt.

Dann schrieb ich meinen Bericht neulich und hatte den überall hin geteilt, nur nicht in diese Gruppe, da das ja dort unerwünscht ist. Ein Admin forderte mich dann sogar dazu auf, löschte ihn aber kurzerhand wieder: wir wollen ja niemanden vergraulen. Gut – habe ich akzeptiert. Die Provokationen dort waren schon wohl durchdacht, ich will niemanden beleidigen – aber den ein oder anderen aufwecken. Nicht weil er schläft – ganz im Gegenteil – sondern weil die Realität nicht gesehen werden will.

Durch einen anderen Post in der Gruppe am selben Tag (es lag also offensichtlich etwas in der Luft), der zugegebenermaßen mit mehr Feingefühl vorgetragen wurde, entspannte sich dann eine Diskussion zwischen drei Gruppenmitgliedern. Obwohl wir drei uns nicht einig wurden, war die Debatte von äußerst respektvollem Umgang geprägt. Herrlich. Selbstgeschriebene Zeilen, Voicemessages. Nicht weitergeleitete Statements, die der eigenen Aussage mehr Gewicht verleihen sollen, sondern eigene Gedanken. Wunderbar. Exakt meine Spielwiese.

Das ging nicht lange bis ein Admin nach dem anderen, die wahrscheinlich nur gesehen haben, dass in kürzester Zeit 27 Posts in der App aufploppen, den Chat aber unter Garantie nicht gelesen haben, die Diskussion abwürgten. Diskussionen müssten moderiert werden, sonst sei das Zeitverschwendung. Und man würde vielleicht Leute abschrecken, denen das zu viel wird und all diesen Bullshit, den man überall vor den Latz bekommt, wenn es dem Gegenüber zu kompliziert wird.

Ohne Inhalt kein Inhalt.

Da gibt es für mich nur eine Konsequenz: telegram-Gruppe und Aktionsgruppe verlassen – so schnell wie möglich. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen mal darüber Gedanken machen, dass man auch Leute abschrecken kann, denen es zu wenig ist und die mit inhaltlicher Leere nichts anfangen können. Es ging zum allerersten Mal bis wirklich tief hinein um eine inhaltliche Auseinandersetzung und den Versuch einer Positionierung. Wer das nicht will, ist nicht mein Gesprächspartner. Ohne Inhalt kein Inhalt.

Dabei stellt sich die Frage: wovor haben die meisten bei Diskussionen Angst? Das ein Ergebnis womöglich herauskäme, das einem nicht in den Kram passt? Davor fürchte ich mich nicht. Das Ergebnis passte mir nicht in den Kram – nämlich das Ergebnis, dass nicht debattiert werden soll. Man möge die Gespräche beim nächsten Treffen doch bitte analog führen. Analog ist immer besser. Das stimmt schon. Aber dann schreien sich gerade mal zwei Leute in einer unsäglich lauten Kneipe gegenseitig an, die sich gerade zufällig dahingesetzt haben. In einer telegram-Gruppe, kann jeder zeitunabhängig mitdiskutieren.

zu naiv

An anderer Stelle wurde mir schon mal vorgeworfen, ich sei für die Politik zu naiv. Ich würde das politische Geschäft nicht kennen. Richtig – absolut richtig. Aber das politische Geschäft kann sich mal darüber Gedanken machen, warum es mich und andere, die sich Gedanken machen wollen, noch nicht kennt.

Die AfD galt mal als Professoren-Partei. Wo sind sie geblieben? Denen wurde es zu blöd. Nicht zu rechts, sondern zu blöd. Endlose Sitzungen, in denen Nächtelang über Personalien diskutiert werden darf. Aber beim ersten inhaltlichen Beitrag wird sofort abgebrochen. Siehe auch den Landesparteitag dieses Jahr in Stuttgart. Man hat die Wahlen so weit wie möglich in die Länge gezogen, um auch unter Garantie das Antragsbuch nicht anpacken zu müssen. Wo bleibt der versprochene Nachholtermin dafür? Das ist jetzt bald ein halbes Jahr her.

Der Wendepunkt

Deutschland oder vielleicht sogar die ganze Welt befindet sich an einem Wendepunkt. Nicht am Klimawendepunkt. Das vielleicht auch. Nein an einem Wendepunkt- oder besser an einer Weggabelung, an der es sich zu überlegen gilt, wohin man inhaltlich abbiegen will.

Und da lohnt es sich – nein es ist unbedingt notwendig – dass man nicht einfach überall nur dagegen ist und protestiert, sondern einen eigenen Zukunftsplan entwickelt. Wenn wir relevant werden wollen, reicht es nicht mehr sich an den vorgegebenen politischen Pfaden der Altparteien abzuarbeiten. Nein es muss ein eigener Plan her. An dem dürfen sich dann gern die anderen abarbeiten.

Daher muss sich gerade die AfD dringend Gedanken über Ihre Namensgebung machen. Irgendwann, und das wird schon recht bald sein, kann sie nicht mehr nur die Alternative sein. Nein, sie muss zu einer selbst agierenden Akteurin und eigene Ideen einbringenden Größe aufsteigen. Und damit zum Anker werden.

Anker für Deutschland.

Wer aber darüber nicht reden will, soll gerne, solange es noch geht, seine Pöstchen- und Sitzungsgelder abkassieren. Der Letzte soll dann aber bitte das Licht ausmachen.

Bild von Hands off my tags! Michael Gaida auf Pixabay

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