Ok, ich greife vor. Ist ja erst morgen der 3. Oktober. Da ist es natürlich wohlfeil, die mediale Abstinenz des Bundespräsidenten zu beklagen, wissend, dass er morgen schon irgendein Mikrofon und eine Kamera finden wird.
Daher wollen wir die verbleibende Zeit nutzen, ihm heute schon eine Rede zu schreiben, damit er über Nacht noch genügend Gelegenheit hat, sich mit den für ihn vollkommen neuen Inhalten vertraut zu machen.
Bereits in den Anfangsblock gehört für mich:
Satire an:
Meine lieben Landsleute und übriggebliebenen Reste des deutschen Volkes: Ich war in Ihrem Auftrag unlängst bei einem Staatsbegräbnis von Jahrhundertausmaß. Dort habe ich vor allem eines gelernt: Was bin ich – aber auch mein Amt – für ein kleines, unbedeutendes Licht? Dass ich persönlich ein kleines Licht bin, ist mir bewusst und dieses Faktum nehme ich auch in Bescheidenheit an. Ich beteuere hiermit, dass ich selbst nie auf diesen Stuhl wollte, mich aber wichtigere Leute dahin drängten und ich dieses Dieneramt dann in einem Akt der Selbstverleugnung demütig angenommen habe, um es, dem deutschen Volke dienend, ohne Fehl und Tadel zu bekleiden.
Satire aus.
„Unser Grundgesetz verlangt von aller staatlichen Gewalt, sich zum Wohl des deutschen Volkes einzusetzen. Wir Deutschen sind ein starkes Land. Wir sind aus unserer kulturellen Herkunft heraus mit vielen Talenten gesegnet, die fehlende Rohstoffe allein über ihren Denkergeist um ein mehrfaches ausgleichen können. Dieses Faktum hat uns in den letzten Jahrzehnten einen Wohlstand gebracht, der es uns erlaubte, auch über absolute Notwendigkeiten hinaus altruistisch tätig zu werden. Sowohl im In- aber auch verstärkt im Ausland. Gerne haben wir Projekte in allen Vorhöllen der Welt initiiert oder unterstützt, die den dort ansässigen Menschen einen Ausblick darauf geben, wie schön es wäre, auch wie die Deutschen leben zu können.
Gleichzeitig stehen wir an einem Punkt, an dem wir uns eingestehen müssen, dass die Globalisierung nur in Friedenszeiten eine großartige Sache ist und wie ein Kartenhaus bei geringstem Windstoß in sich zusammengefallen ist. Wir werden lernen und akzeptieren müssen, dass es Kulturen gibt, die anders als wir sind und dies auch bleiben wollen. Ich verneige mich zutiefst vor den Angehörigen der 58 Bundeswehrsoldaten, die im Afghanistan-Einsatz gefallen sind. Und ich rufe Ihnen zu: Euer Tod war nicht sinnlos. Ihr habt uns ein für allemal gelehrt, dass wir uns nicht mehr in Gefangenschaft fremdstaatlicher Interessen begeben sollten. Eine Aussendung unserer Streitkräfte sollte es künftig nur geben, wenn unsere ureigenen Interessen bedroht werden. Wir müssen lernen, dass es Konflikte gibt, in denen wir als Deutschland nichts positives Bewirken können – außer eindringlich und unerbittlich an den Verhandlungstisch zu bitten.
Daher sollten wir uns vor zu engen Bündnissen mit anderen Ländern und andersartigen Kulturen hüten. Nicht in wirtschaftlicher, aber bereits in militärischer und vor allem geistiger Souveränität.
So darf und muss die Frage gestellt werden, ob die Einflüsse, die nach dem Zweiten Weltkrieg in unser Land eindrangen und es in großem Umfang umformten, unser Ideal eines gesunden Staates nicht mehr geschadet als genützt haben. Der überbordende Wohlstand, den wir bis vor kurzem noch genossen, steht in meiner Betrachtung dabei nicht an erster Stelle. Vielmehr brauchen wir wieder den Respekt vor unserer eigenen Herkunft und unserem kulturellen Erbe. Mit diesem kommt der Wohlstand mit dem bekannten deutschen Fleiß von ganz alleine. Aber er steht dann nicht mehr auf tönernen, inhaltsleeren Füssen, wie es die letzten 70 Jahre leider der Fall war.
Man verstehe mich nicht falsch. Wir haben wirklich große Errungenschaften auch in dieser Zeit hervorgebracht und große Gestalten in Politik, Wirtschaft und Kultur werden uns auch künftig als Leuchttürme dienen.
Aber eine anfänglich schwierig einzuschätzende Atemwegserkrankung und ein sich, dank unstabilem eigenem Standpunkt weltweit ausweitender, exterritorialer Regionalkonflikt haben unser Land binnen kürzester Zeit an den Abgrund geführt.
Konzentration auf das Wesentliche.
Wenn der Familienvater aus beruflichen Gründen von seiner Familie getrennt ist, und in den Nachrichten über ein Unglück in seiner Heimat hört, ruft er als erstes bei seiner Familie an, ob sie wohlauf ist. Wenn diese ihm das glaubhaft bestätigt hat, kann er sich anschließend auch bei seinen Freunden erkundigen. Dies ist ein ganz natürlicher Vorgang. Niemand verbietet ihm, sich bei seinen Freunden zu erkundigen. Aber es ist der zweite Schritt – selbst wenn er sich gewiss ist, dass seine Lieben eigentlich sowieso immer Glück haben oder selbst über genug Kraft verfügen, sich aus einer misslichen Situation zu befreien. Wenn er zuerst bei seiner Geliebten anruft – und das ist ja offensichtlich – stimmt etwas im Verhältnis zu seiner Familie nicht.
Und so empfehle ich allen verantwortlich Handelnden, diese Binsenweisheit wieder ins Gesichtsfeld zu rücken. Nochmals, wir sind stark, und viele verlassen sich auf unsere Stärke – aber die Gewichtung sollte künftig wieder deutlicher werden.
Die letzten drei Jahre haben uns die Wichtigkeit der kleinsten Keimzelle des Lebens, der Familie, wieder deutlich ins Bewusstsein gebracht. Stärken wir diesen Verband, wo wir nur können und unternehmen es nicht weiter, ihn zu schwächen, zu negieren oder gar als altbacken und verkommen hinzustellen. Er ist es, der Leben hervorbringt, gedeihen lässt, mit Kraft unser Land gestaltet und dieses Leben an dessen Ende würdevoll begleitet.
Nicht jeder in unserem Land glaubt an Gott. Es kann aber kaum bestritten werden, dass es nur mit Seiner Hilfe wieder zu einstiger Blüte geführt werden kann. Ich bin mir sicher, dass Seine Liebe unser Land und sein Volk wieder von innen heraus erneuern kann.
Stoßen wir also gemeinsam auf die Neuausrichtung unseres politischen Kompasses an – weder nach Ost, noch nach West, sondern zum Himmel hin.“
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Leider werden Sie diese Rede nie von einem deutschen Bundespräsidenten hören.
Erfahrungsgemäß würde sich auf dessen Stuhl schon ein Hape Kerkeling besser machen, wenngleich er im damaligen Sketch auf den Stufen des Schlosses Bellevue „nur“ die Besucherin Königin Beatrix gab.
Bild von Armin Forster auf Pixabay